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von Marion Knoop-Wente

Gottesdienst: Unterschied zwischen den Versionen

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Im Jahr 2018 hat die Evangelische Kirche in Deutschland eine revidierte „Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder“ eingeführt. Sie ist als „Lektionar“ für die Verlesung der biblischen Textabschnitte („Perikopen“) im Gottesdienst und als „Perikopenbuch“ erschienen. Diese sog. „Perikopenordnung“ macht für die Sonn-, Fest- und Gedenktage des Kirchenjahres (1. Advent bis Ewigkeits- bzw. Totensonntag) Vorgaben für biblische Lesungs- und Predigttexte aus dem Alten und dem Neuen Testament und für Lieder der Woche und des Tages, die textlich und musikalisch jeweils unterschiedlichen Stilistiken angehören.
Im Jahr 2018 hat die Evangelische Kirche in Deutschland eine revidierte „Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder“ eingeführt. Sie ist als „Lektionar“ für die Verlesung der biblischen Textabschnitte („Perikopen“) im Gottesdienst und als „Perikopenbuch“ erschienen. Diese sog. „Perikopenordnung“ macht für die Sonn-, Fest- und Gedenktage des Kirchenjahres (1. Advent bis Ewigkeits- bzw. Totensonntag) Vorgaben für biblische Lesungs- und Predigttexte aus dem Alten und dem Neuen Testament und für Lieder der Woche und des Tages, die textlich und musikalisch jeweils unterschiedlichen Stilistiken angehören.


Die christliche Kirche feiert den auf den Sabbat folgenden ersten Tag der jüdischen Woche, den Sonntag, als Tag der Auferstehung Jesu Christi ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/MRK.16.2 Markus 16,2]). Dieser Tag verweist sowohl auf den Beginn der Schöpfung der Welt (1. Mose 1,3-5) als auch auf den Beginn der neuen Schöpfung. Letztere hat in der Auferstehung Jesu ihren Anfang genommen ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/2CO.5.17 2. Korinther 5,17]) und wartet auf die Vollendung bei seiner Wiederkunft ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/ROM.8.23 Römer 8,23]). Das Neue Testament berichtet, dass Jesus am Tag seiner Auferstehung seinen Jüngern erschien ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LUK.24.13 Lukas 24,13]), ihnen die Schrift auslegte und von ihnen beim Brotbrechen erkannt wurde ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LUK.24.30- LUK.24.32 Lukas 24,30-32]). Seither hat sich die christliche Gemeinde vor allem an diesem Tag unter Wort und Sakrament versammelt (Apostelgeschichte 20,7). Diese Versammlungen fanden am Anfang abends statt, da es seinerzeit keine sonntägliche Arbeitsruhe gab. Erst später ist die Feier der Auferstehung mit dem biblischen Sabbatgebot ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/EXO.20.8- EXO.20.10 2. Mose 20,8-10]) so verbunden worden, dass der Tag der Auferstehung nun auch zum Ruhetag des Neuen Bundes wurde. Wo gemeindliche Verhältnisse es erfordern, ist auch der Samstagabend (der nach biblischer Sichtweise schon zum Sonntag gehört: „Sonnabend“) eine dem Sonntag nahe Zeit für den Gottesdienst. Und selbstverständlich kann auch an jedem anderen Tag der Woche Gottesdienst gefeiert werden.
Die christliche Kirche feiert den auf den Sabbat folgenden ersten Tag der jüdischen Woche, den Sonntag, als Tag der Auferstehung Jesu Christi ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/MRK.16.2 Markus 16,2]). Dieser Tag verweist sowohl auf den Beginn der Schöpfung der Welt ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/GEN.1.3- GEN.1.5 1. Mose 1,3-5]) als auch auf den Beginn der neuen Schöpfung. Letztere hat in der Auferstehung Jesu ihren Anfang genommen ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/2CO.5.17 2. Korinther 5,17]) und wartet auf die Vollendung bei seiner Wiederkunft ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/ROM.8.23 Römer 8,23]). Das Neue Testament berichtet, dass Jesus am Tag seiner Auferstehung seinen Jüngern erschien ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LUK.24.13 Lukas 24,13]), ihnen die Schrift auslegte und von ihnen beim Brotbrechen erkannt wurde ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LUK.24.30- LUK.24.32 Lukas 24,30-32]). Seither hat sich die christliche Gemeinde vor allem an diesem Tag unter Wort und Sakrament versammelt ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/ACT.20.7 Apostelgeschichte 20,7]). Diese Versammlungen fanden am Anfang abends statt, da es seinerzeit keine sonntägliche Arbeitsruhe gab. Erst später ist die Feier der Auferstehung mit dem biblischen Sabbatgebot ([https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/EXO.20.8- EXO.20.10 2. Mose 20,8-10]) so verbunden worden, dass der Tag der Auferstehung nun auch zum Ruhetag des Neuen Bundes wurde. Wo gemeindliche Verhältnisse es erfordern, ist auch der Samstagabend (der nach biblischer Sichtweise schon zum Sonntag gehört: „Sonnabend“) eine dem Sonntag nahe Zeit für den Gottesdienst. Und selbstverständlich kann auch an jedem anderen Tag der Woche Gottesdienst gefeiert werden.


Im Gottesdienst feiert die Gemeinde die Gegenwart Gottes, der die Menschen in seine Geschichte einbezieht. Wir entdecken den uns vorausliegenden Anfang und Grund unseres Hoffens und können in biblischen Geschichten eigene Lebenserfahrungen wiedererkennen und, z. B. bei Amtshandlungen zu besonderen Anlässen, deuten. Für diese wie für alle Gottesdienste gilt: In ihrem Verlauf und ihren Kernbestandteilen sollen sie als evangelische Gottesdienste (wieder-)erkennbar sein, in einzelnen Elementen aber je nach Situation und Anlass variiert oder akzentuiert werden. Die sog. Agenden enthalten konfessionell (lutherisch, reformiert und uniert) geprägte Gottesdienstverläufe („Liturgien“). In UEK und VELKD ist seit 1999 das „Evangelische Gottesdienstbuch“ (überarbeitete Fassung 2020) als Eröffnungsband eines gemeinsamen Agendenwerks eingeführt. In einigen Gliedkirchen der EKD werden daneben eigene agendarische Traditionen fortgeführt. Neben dem Gleichklang gottesdienstlicher Abläufe und Gestaltungselemente gewährleisten Agenden den Zusammenhang mit dem Kirchenjahr und die Verbundenheit der Gliedkirchen auch im gottesdienstlichen Leben. Zusätzlich zu den traditionellen ist eine große Vielzahl von Gottesdienstformen jenseits der Agende entstanden, die in Interaktion mit dem „agendarischen Gottesdienst“ treten und ihn weiterzuentwickeln helfen. Die großen Feste des Kirchenjahres sind in besonderer Weise an der Christusgeschichte orientiert. Sie vergegenwärtigen, was Gott durch seinen Sohn für uns getan hat, auch jetzt tut und noch tun will. Sie laden uns zum Mitfeiern und zur Aneignung dieses Heilsgeschehens ein.
Im Gottesdienst feiert die Gemeinde die Gegenwart Gottes, der die Menschen in seine Geschichte einbezieht. Wir entdecken den uns vorausliegenden Anfang und Grund unseres Hoffens und können in biblischen Geschichten eigene Lebenserfahrungen wiedererkennen und, z. B. bei Amtshandlungen zu besonderen Anlässen, deuten. Für diese wie für alle Gottesdienste gilt: In ihrem Verlauf und ihren Kernbestandteilen sollen sie als evangelische Gottesdienste (wieder-)erkennbar sein, in einzelnen Elementen aber je nach Situation und Anlass variiert oder akzentuiert werden. Die sog. Agenden enthalten konfessionell (lutherisch, reformiert und uniert) geprägte Gottesdienstverläufe („Liturgien“). In UEK und VELKD ist seit 1999 das „Evangelische Gottesdienstbuch“ (überarbeitete Fassung 2020) als Eröffnungsband eines gemeinsamen Agendenwerks eingeführt. In einigen Gliedkirchen der EKD werden daneben eigene agendarische Traditionen fortgeführt. Neben dem Gleichklang gottesdienstlicher Abläufe und Gestaltungselemente gewährleisten Agenden den Zusammenhang mit dem Kirchenjahr und die Verbundenheit der Gliedkirchen auch im gottesdienstlichen Leben. Zusätzlich zu den traditionellen ist eine große Vielzahl von Gottesdienstformen jenseits der Agende entstanden, die in Interaktion mit dem „agendarischen Gottesdienst“ treten und ihn weiterzuentwickeln helfen. Die großen Feste des Kirchenjahres sind in besonderer Weise an der Christusgeschichte orientiert. Sie vergegenwärtigen, was Gott durch seinen Sohn für uns getan hat, auch jetzt tut und noch tun will. Sie laden uns zum Mitfeiern und zur Aneignung dieses Heilsgeschehens ein.

Version vom 15. Oktober 2025, 09:07 Uhr

1 Zum Begriff

„Gottesdienst“ heißt in der evangelischen Kirche die Versammlung, in der Menschen zur Feier und Bekundung, Stärkung und Reflexion ihres christlichen Glaubens zusammenkommen. Gemeinsam beten sie, sprechend und singend, zu Gott in Lob und Dank, Klage, Bitte und Fürbitte. Sie bekennen ihre Sünden und ihren Glauben, hören und bedenken Abschnitte der Bibel, die gelesen und in der Predigt ausgelegt werden, und feiern die Sakramente Taufe und Abendmahl. Gottesdienste werden nach wie vor hauptsächlich am Sonntagmorgen in den Kirchen gefeiert. Daneben finden sie aber auch in großer Vielfalt zu ganz unterschiedlichen Zeiten an den verschiedensten Orten statt: facettenreich in den Formen, aus mannigfachen persönlichen und öffentlichen Anlässen („Kasualien“) und in besonderen Gruppen oder Gemeinschaften.

Martin Luther hat den Gottesdienst als ein Wort-Antwort-Geschehen beschrieben, in dem „unser lieber Herr mit uns redet durch sein heiliges Wort und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang“. Wohl verstanden lässt sich dieses Gespräch zwischen Gott und den Menschen nicht klar auf die gottesdienstlichen Rollen und Funktionen aufteilen. Vielmehr vollzieht es sich in der Interaktion der jeweils versammelten Gemeinde insgesamt, nicht zuletzt in der Kirchenmusik als Medium sowohl der Verkündigung als auch des Gebets.

Das Wort „Gottesdienst“ kann doppelt verstanden werden: zum einen als ein Dienst, mit dem die versammelten Menschen Gott dienen (vgl. Psalm 100,2a: „Dienet dem Herrn mit Freuden“). Und zum anderen als ein Dienst, der ihnen von Gott erwiesen wird. Menschen erweisen Gott in der gottesdienstlichen Feier ihren Dienst, indem sie ihn zu sich reden lassen und ihn in Gebet und Gesang anrufen. Dieser setzt sich als „Gottesdienst im Alltag der Welt“ fort. Zugleich wurzelt er in und nährt sich aus jenem Dienst, den Gott den Menschen in Jesus Christus erwiesen hat und der in der gottesdienstlichen Feier vergegenwärtigt wird.

2 Aktuelle Situation

Die Feier des Gottesdienstes ist häufig das erste, was Menschen mit kirchlichem Leben assoziieren: Christinnen und Christen kommen zusammen, um gemeinsam Gottes Wort zu hören und zu ihm zu beten. Ob in einer Kirche oder an einem anderen Ort, ob am Sonntagvormittag oder zu einer anderen Zeit, ob in einer geprägten oder in einer freien Form, ob von sehr vielen oder von ganz wenigen, ob analog oder digital gefeiert: Jeder Gottesdienst steht unter der Verheißung der Gegenwart Jesu Christi und verbindet die in ihm versammelte Gemeinde mit der weltweiten, die Zeiten übergreifenden Kirche.

Der Gottesdienst ist Sache der Gemeinde, die sich in ihm versammelt. Das wird besonders sinnenfällig im Gesang, an dem alle beteiligt sind. Es zeigt sich auch in einer stilistisch pluralen Kirchenmusik sowie in besonderen gottesdienstlichen Aufgaben, die von Gemeindegliedern übernommen werden, wie der Begrüßung und den Schriftlesungen, dem Einsammeln der Kollekte und der Mitwirkung bei der Austeilung des Abendmahls.

Außer den Pfarrpersonen können auch Prädikantinnen und Prädikanten, die dazu ausgebildet und berufen sind, ehrenamtlich Gottesdienste mit Predigt und Spendung der Sakramente leiten; landeskirchliche Regelungen oder der konkrete Dienstauftrag können die Befugnis zur Spendung der Sakramente einschränken. Lektorinnen und Lektoren sind zur Leitung von Gottesdiensten befugt, nicht aber von Taufen und Abendmahlsfeiern.

Der gesellschaftliche Konsens über den Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und zumal des Gottesdienstbesuchs hat sich stark abgeschwächt, auch unter Kirchenmitgliedern. Nur eine kleine Minderheit nimmt häufig am Sonntagsgottesdienst teil. Die Gläubigen kommen seltener, etwa zu bestimmten Gelegenheiten, an Festen oder im Urlaub. Einige beteiligen sich lieber in anderer Weise am Gemeindeleben. Hinzukommt, dass Gottesdienste mancherorts nicht mehr wöchentlich angeboten werden, sondern in größeren zeitlichen Abständen oder auf regionaler Ebene.

Auch jenseits des Sonntagsgottesdienstes kommen Christinnen und Christen in zahlreichen Lebenszusammenhängen und -situationen zu Dank und Fürbitte, Lob und Klage und zur Bitte um Gottes Segen zusammen: einerseits regelmäßig in Kindertageseinrichtungen und Schulen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, anderseits kasuell bei familiären Anlässen - Geburt und Taufe eines Kindes, Konfirmation, Eheschließung oder Ehejubiläum, Sterbefälle und andere Gottesdienste aus besonderen Anlässen, z. B. bei Katastrophen oder drohender Gefahr, oder zum Danken und Feiern finden beachtlichen Zulauf. Kleinere gottesdienstliche Formate, z.B. Andachten zu Beginn und Abschluss des Tages und der Woche, gehören ebenfalls zum gottesdienstlichen Leben mancher Gemeinde, ebenso Friedensgebete und Gottesdienste am Weltgebetstag.

Mit alternativen Gottesdienstformen, veränderten Gottesdienstangeboten, -zeiten und -rhythmen reagieren immer mehr Gemeinden auf gewandelte Erwartungen und unterschiedliche Bedürfnisse. Gemeinden laden zu Kinder- und Familiengottesdiensten ein, Städte und Regionen haben Jugendkirchen eingerichtet. Vielfältige liturgische, auch musikalisch-liturgische Formate richten sich an bestimmte Interessen- und Zielgruppen. Anschaulichkeit und Bewegung, Symbole und Rituale haben an Bedeutung im evangelischen Gottesdienst gewonnen. Auch die Aufmerksamkeit auf eine gender- bzw. diversitäts- und traumasensible Gottesdienstgestaltung und -sprache wächst. Häufig werden Gottesdienste mit anderen Angeboten wie einem gemeinsamen Frühstück, dem Kirchenkaffee oder einem Predigtnachgespräch verbunden. Vor und nach dem Gottesdienst, z.B. beim Kirchenkaffee, ergreifen Menschen die Gelegenheit zur Begegnung und zum Austausch über Glaubensfragen und alltägliche Lebensthemen.

Weit über den Kreis der besonders Kirchenverbundenen hinaus finden kirchenmusikalische Veranstaltungen Resonanz, in denen „Wort Gottes und Gebet“ im Medium der Musik gestaltet werden. In ökumenischen Begegnungen wird die Einheit der Kirche erfahrbar. Vielerorts feiern Christinnen und Christen verschiedener Kirchen und Konfessionen zu bestimmten Anlässen gemeinsam Gottesdienst. Ökumenischen Gottesdiensten am Sonntagvormittag steht oft entgegen, dass römisch-katholische Christen zu dieser Zeit grundsätzlich zur Teilnahme an einer katholischen Messe verpflichtet sind. Doch selbst an Sonn- und Festtagen lassen sich Möglichkeiten für gemeinsame Wortgottesdienste finden.

Seit langer Zeit etabliert sind Rundfunk- und Fernsehgottesdienste. In den vergangenen Jahren ist eine Vielzahl digitaler Angebote hinzugekommen. Die Kirchen und viele einzelne Gemeinden nutzen die Chance, mit diesen Medien mehr Menschen verschiedener Milieus und Kommunikationsgewohnheiten anzusprechen, als durch analoge Gottesdienstangebote vor Ort erreicht werden. Die Stärken von Gottesdiensten vor Ort und medialer Übertragung ergänzen einander. Auch Gottesdienste auf Kirchentagen und anderen Großveranstaltungen haben durch die mediale Verbreitung ein Vielfaches an Teilnehmenden.

3 Biblische und theologische Grundlagen

Im Gottesdienst begegnen Menschen Gottes Gegenwart und vergewissern sich seiner heilschaffenden Kraft. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18,20). Unter dieser Grundverheißung kommen Christinnen und Christen zusammen. Der Gottesdienst kann Ort der Feier und der Freude, der Besinnung und Hingabe, aber auch Ort der Trauer und Klage sein. Hier vernimmt und bezeugt die Gemeinde in Schriftlesung und Predigt, Lied und Liturgie das Erlösungshandeln Jesu Christi als ihren Lebensgrund. Sie feiert in der Taufe die An- und Aufnahme ihrer neuen Glieder (1. Korinther 12,12). Im Abendmahl wird sie von Mal zu Mal als „Leib Christi“, d.h. als Gemeinde ihres Herrn Jesus Christus, konstituiert (1. Korinther 10,16). Durch den Zuspruch von Gottes Segen weiß sie sich in den Alltag begleitet und zugleich zum Glaubenszeugnis und Dienst in der Welt beauftragt (Matthäus 28,18-20). Insofern ist der Gottesdienst die Mitte oder der wichtigste Quellort des christlichen Lebens. In Gemeinschaft gefeiert, ist er Rückhalt und Stärkung für die Einzelnen, sich in ihrem ganzen Leben an Gottes Zusage zu halten und bestmöglich nach seinem Willen zu richten. Ein solches Leben nennt Paulus einen „vernünftigen Gottesdienst“ (Römer 12,1).

Der Gottesdienst ist deshalb zunächst Versammlung, Feier und Zeugnis der Gemeinde der Getauften. Da aber das Zeugnis von Gottes Heilswillen allen Menschen gilt (1. Timotheus 2,4-6; Titus 2,11), muss es öffentlich ausgerichtet werden. Deshalb sind auch Nichtglaubende und Nichtgetaufte eingeladen, am Gottesdienst teilzunehmen. Das Glockengeläut ist ein weithin vernehmbarer, öffentlich einladender Ruf zum Gottesdienst – und dieser ist ein Schaufenster oder eine Visitenkarte der Gemeinde. Natürlich verwehrt die prinzipielle Öffentlichkeit des christlichen Gottesdienstes nicht, dass in Einrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen, Kliniken und Altenheimen u. ä. Gottesdienste gefeiert werden, die nicht frei zugänglich sind.

Nach dem Apostel Paulus entsteht der Glaube nicht von selbst; vielmehr kommt er aus dem Hören, aus der „Predigt“ (Römer 10,17). Die Predigt speist sich ebenso wie Gebet und Gesang der Gemeinde aus der Fülle der biblischen Botschaft. Der christliche Gottesdienst wird in bleibender Verbundenheit mit – und zugleich in respektvoller Unterschiedenheit von – dem von Gott bleibend erwählten Volk Israel gefeiert.

Im Jahr 2018 hat die Evangelische Kirche in Deutschland eine revidierte „Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder“ eingeführt. Sie ist als „Lektionar“ für die Verlesung der biblischen Textabschnitte („Perikopen“) im Gottesdienst und als „Perikopenbuch“ erschienen. Diese sog. „Perikopenordnung“ macht für die Sonn-, Fest- und Gedenktage des Kirchenjahres (1. Advent bis Ewigkeits- bzw. Totensonntag) Vorgaben für biblische Lesungs- und Predigttexte aus dem Alten und dem Neuen Testament und für Lieder der Woche und des Tages, die textlich und musikalisch jeweils unterschiedlichen Stilistiken angehören.

Die christliche Kirche feiert den auf den Sabbat folgenden ersten Tag der jüdischen Woche, den Sonntag, als Tag der Auferstehung Jesu Christi (Markus 16,2). Dieser Tag verweist sowohl auf den Beginn der Schöpfung der Welt (1. Mose 1,3-5) als auch auf den Beginn der neuen Schöpfung. Letztere hat in der Auferstehung Jesu ihren Anfang genommen (2. Korinther 5,17) und wartet auf die Vollendung bei seiner Wiederkunft (Römer 8,23). Das Neue Testament berichtet, dass Jesus am Tag seiner Auferstehung seinen Jüngern erschien (Lukas 24,13), ihnen die Schrift auslegte und von ihnen beim Brotbrechen erkannt wurde (Lukas 24,30-32). Seither hat sich die christliche Gemeinde vor allem an diesem Tag unter Wort und Sakrament versammelt (Apostelgeschichte 20,7). Diese Versammlungen fanden am Anfang abends statt, da es seinerzeit keine sonntägliche Arbeitsruhe gab. Erst später ist die Feier der Auferstehung mit dem biblischen Sabbatgebot (2. Mose 20,8-10) so verbunden worden, dass der Tag der Auferstehung nun auch zum Ruhetag des Neuen Bundes wurde. Wo gemeindliche Verhältnisse es erfordern, ist auch der Samstagabend (der nach biblischer Sichtweise schon zum Sonntag gehört: „Sonnabend“) eine dem Sonntag nahe Zeit für den Gottesdienst. Und selbstverständlich kann auch an jedem anderen Tag der Woche Gottesdienst gefeiert werden.

Im Gottesdienst feiert die Gemeinde die Gegenwart Gottes, der die Menschen in seine Geschichte einbezieht. Wir entdecken den uns vorausliegenden Anfang und Grund unseres Hoffens und können in biblischen Geschichten eigene Lebenserfahrungen wiedererkennen und, z. B. bei Amtshandlungen zu besonderen Anlässen, deuten. Für diese wie für alle Gottesdienste gilt: In ihrem Verlauf und ihren Kernbestandteilen sollen sie als evangelische Gottesdienste (wieder-)erkennbar sein, in einzelnen Elementen aber je nach Situation und Anlass variiert oder akzentuiert werden. Die sog. Agenden enthalten konfessionell (lutherisch, reformiert und uniert) geprägte Gottesdienstverläufe („Liturgien“). In UEK und VELKD ist seit 1999 das „Evangelische Gottesdienstbuch“ (überarbeitete Fassung 2020) als Eröffnungsband eines gemeinsamen Agendenwerks eingeführt. In einigen Gliedkirchen der EKD werden daneben eigene agendarische Traditionen fortgeführt. Neben dem Gleichklang gottesdienstlicher Abläufe und Gestaltungselemente gewährleisten Agenden den Zusammenhang mit dem Kirchenjahr und die Verbundenheit der Gliedkirchen auch im gottesdienstlichen Leben. Zusätzlich zu den traditionellen ist eine große Vielzahl von Gottesdienstformen jenseits der Agende entstanden, die in Interaktion mit dem „agendarischen Gottesdienst“ treten und ihn weiterzuentwickeln helfen. Die großen Feste des Kirchenjahres sind in besonderer Weise an der Christusgeschichte orientiert. Sie vergegenwärtigen, was Gott durch seinen Sohn für uns getan hat, auch jetzt tut und noch tun will. Sie laden uns zum Mitfeiern und zur Aneignung dieses Heilsgeschehens ein.

4 Regelungen für die kirchliche Praxis

4.1 Regelungen der UEK und VELKD

4.1.1 Grundsätze

Die christliche Gemeinde versammelt sich im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zum Gottesdienst und lädt dazu ein. Sie hört auf Gottes Wort und feiert die Sakramente Taufe und Abendmahl. Sie antwortet auf Gottes Wort mit dem Bekenntnis der Schuld und des Glaubens, mit Gebet, Lobgesang und Dankopfer. Mit Gottes Segen lässt sie sich in die Welt senden. Durch die Versammlung unter Gottes Wort soll das gesamte Christenleben zum Gottesdienst werden.

4.1.2 Zeiten und Orte

(1) Als Tag der Auferstehung Jesu Christi ist der Sonntag der hervorgehobene Tag zur Feier des Gottesdienstes. Gottesdienste finden auch an den kirchlichen Feiertagen statt. Sie können darüber hinaus an allen Tagen der Woche gefeiert werden.

(2) Gottesdienste finden in Kirchengebäuden oder an anderen Orten statt. Zeiten und Orte der regelmäßigen Gottesdienste bestimmt das Leitungsgremium der Gemeinde im Rahmen des gliedkirchlichen Rechts. Bei der Festlegung der Gottesdienstzeiten ist das Angebot in der Region, dem Kirchenkreis bzw. Dekanat zu berücksichtigen.

(3) Wo Gemeindegottesdienste nicht mehr wöchentlich, sondern in längeren zeitlichen Abständen gefeiert werden, soll das Gepräge des Kirchenjahres erlebbar bleiben.

(4) Gottesdienste sind in der Regel öffentlich und als solche bekannt zu machen.

4.1.3 Formen

(1) Neben dem agendarischen Gottesdienst sollen für verschiedene Interessen- und Zielgruppen Gottesdienste angeboten und gefeiert werden. Gemeinsame Gottesdienste für Erwachsene und Kinder („für Jung und Alt“; „Familiengottesdienste“) sollen regelmäßig gefeiert werden. Die Kinder der Gemeinde sollen zum Kindergottesdienst bzw. zur „Kirche mit Kindern“ eingeladen werden.

(2) Zu besonderen Anlässen werden – auch in regionaler und ökumenischer Gemeinsamkeit – besondere Gottesdienste gefeiert (z.B. Dank- und Bittgottesdienste, Beicht- und Segnungsgottesdienste, Einweihungsgottesdienste, Weltgebetstag).

(3) Gottesdienste aus persönlichen oder familiären Anlässen („Kasualien“) sind Taufe, Konfirmation, Trauung und Bestattung. Über diese sog. „Amtshandlungen“ wird ein Register („Kirchenbuch“) geführt.

(4) Niedrigschwellige gottesdienstliche Angebote mit missionarischem Charakter können bisher von der Kirche nicht erreichten Menschen den Zugang zum Glauben eröffnen.

(5) In Wahrnehmung der öffentlichen Verantwortung der Kirche und als Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Verbundenheit können auch Gottesdienste zu besonderen nichtkirchlichen Anlässen gefeiert werden. Sie sollten ökumenisch oder interreligiös angelegt sein und berücksichtigen, dass auch Menschen teilnehmen, die keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören.

4.1.4 Verkündigung

Die Verkündigung im Gottesdienst ist an die Heilige Schrift und an das jeweils geltende Bekenntnis gebunden. In der Predigt wird in der Regel ein Abschnitt aus der Heiligen Schrift ausgelegt. Die biblischen Lesungen werden entsprechend der Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder aus dem Lektionar, der Altarbibel oder einer modernen Bibelübersetzung vorgetragen.

4.1.5 Ordnung

(1) Der Gottesdienst wird in der Regel nach der vom Leitungsgremium der Gemeinde festgelegten, an der Agende orientierten Ordnung und mit dem eingeführten Gesangbuch gefeiert.

(2) Die Orientierung an der agendarischen Ordnung schließt die Aufgabe ein, jeden Gottesdienst dem Anlass und dem Kreis der Teilnehmenden entsprechend zu gestalten. Unter Beachtung vertrauter Vorgaben und verbindlicher Kernstücke sollen biblische Botschaft und christlicher Glaube vielfältig zum Ausdruck kommen.

(3) Das eingeführte Gesangbuch kann durch weitere Lieder unterschiedlicher Stilistik ergänzt werden. Urheberrechte sind zu beachten.

4.1.6 Leitung, Mitwirkung und Beteiligung

(1) Der Gottesdienst und die Feier von Taufe und Abendmahl werden in der Regel von ordinierten Pfarrerinnen und Pfarrern geleitet.

(2) Gemeindeglieder können im Rahmen gliedkirchlichen Rechts nach einer entsprechenden Ausbildung als Prädikantinnen und Prädikanten zum Amt der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung berufen und mit der Leitung von Gottesdiensten beauftragt werden; Lektorinnen und Lektoren werden befähigt und beauftragt, Gottesdienste ohne Sakramentsfeiern zu leiten.

(3) Weitere Gemeindeglieder sollen möglichst an der Vorbereitung und Durchführung des Gottesdienstes, namentlich bei Lesungen und der musikalischen Gestaltung, beteiligt werden.

(4) Bei der Planung, Gestaltung und Feier von Gottesdiensten wirken Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in eigener Zuständigkeit verantwortlich mit.

(5) Für die liturgische Kleidung gelten gliedkirchliche Bestimmungen.

4.1.7 Kollekten

(1) In den Gottesdiensten werden Kollekten gesammelt.

(2) Für die Zweckbestimmung der Kollekten ist der landeskirchlich beschlossene Kollektenplan maßgeblich.

(3) Über die Kollekten, deren Zweckbestimmung der Gemeinde durch den Kollektenplan freigestellt ist, entscheidet zuvor das Leitungsgremium.

4.1.8 Abkündigungen und Bekanntmachungen

In den Abkündigungen werden kirchliche Amtshandlungen bekannt gegeben; für die betreffenden Menschen wird in den Fürbitten der Gemeinde gebetet. Ferner wird über Bestimmung und Ertrag von Kollekten, Gaben und Spenden berichtet und es werden weitere kirchliche Nachrichten mitgeteilt. Es wird zu kirchlichen Veranstaltungen eingeladen und über Ereignisse in Gemeinde und Kirche berichtet. Abkündigungen sollen auch für Nachrichten aus Partnergemeinden und für gesamtkirchliche und ökumenische Mitteilungen genutzt werden.

4.1.9 Glockengeläut

Die Glocken rufen die Gemeinde zum Gottesdienst und laden zum Gebet ein. Das Glockengeläut wird durch eine Läuteordnung geregelt.

4.1.10 Kirchengebäude und Gottesdienstraum

Zur Verantwortung für den Gottesdienst gehört der seiner Bestimmung entsprechende Umgang mit dem Kirchengebäude und dem gottesdienstlichen Raum. Deshalb sind der Zustand und die Ausstattung von Kirchgebäude und Gottesdienstraum in ihrer geistlichen Aussagekraft zu beachten und zu pflegen.

4.1.11 Audiovisuelle Aufnahmen

(1) Der Gottesdienst ist in der Regel eine öffentliche Veranstaltung. Bei Aufnahmen sind Regeln einzuhalten, um die Würde von Gottesdiensten und Amtshandlungen sowie die Privatsphäre der teilnehmenden Menschen zu achten. Beim Filmen und Fotografieren ist Zurückhaltung geboten, vor allem bei Gebeten und Segnungen, der Feier des Abendmahls und der Taufhandlung.

(2) Das Leitungsgremium trifft im Blick auf die örtlichen Verhältnisse entsprechende Regelungen. Es kann das Fotografieren und Filmen im Rahmen der gliedkirchlichen Ordnung auch untersagen.

(3) Für medial übertragene Gottesdienste gelten besondere Bedingungen; die Modalitäten sind bei der Vorbereitung abzusprechen.

(4) Das Datenschutzrecht im Bereich der EKD, das Urheberrecht und das gliedkirchliche Recht sind zu beachten.

4.1.12 Andacht

(1) Als kleineres gottesdienstliches Format dient die Andacht der geistlichen Sammlung und dem gemeinsamen Gebet.

(2) Der Ablauf umfasst zumeist Lied, Psalm, Gebet, Schriftlesung und eine kurze Ansprache. Predigt und Abendmahl entfallen.

(3) Andachten können von allen Gemeindegliedern oder Gruppen- bzw. Gremienmitgliedern, die dazu bereit und geeignet sind, geleitet werden.

4.2 Landeskirchliche Besonderheiten

5 In der Diskussion